Erst mal sorry, weil der versprochene Antwort-Beitrag etwas länger gedauert hat.
Hat sonst schon mal jemand versucht, nebenher Bad-Renovierung und Steuererklärung zu bewältigen? Obwohl ich als gelernte Simultandolmetscherin gewohnt bin, im Kopf viel „gleichzeitig“ zu jonglieren, diese beiden Zusatzaufgaben gingen über meine nervliche Dehngrenze.
Darum die „Auflösung“ zu meinem Beitrag vom 15. Mai erst jetzt (Wer’s noch nicht getan hat, unbedingt lesen, denn der Artikel räumt mit einem uralten, aber furchtbar hartnäckigen Vorurteil über lange Werbetexte auf.)
Zunächst mal bemühen wir unseren gesunden Menschenverstand und nähern uns der Frage, warum lange Werbetexte besser wirken, mit einem Alltagsbeispiel:
Sabine will Peter zu einem Besuch in einem neu eröffneten Kinopalast überreden.
Wenn man zu ihr sagen würde, sie dürfe dafür nur 1 Minute reden, dann würde sie ihre hübsche Stirn runzeln, die Nase rümpfen und fragen: „Geht’s noch?“
Natürlich kann sie die Überredung von Peter nicht in eine Minute pressen.
Konkurriert sie doch mit etlichen anderen Freizeitangeboten, die Peter auch attraktiv finden könnte.
Sie muss ihm ihre Wahl zunächst mal schmackhaft machen, z. B. indem sie ihm den geplanten Abend vors geistige Auge zaubert und in den prächtigsten Farben ausmalt. Unter anderem zum Beispiel so:
- „Die haben da so eine Wahnsins-Leinwand…“
- „Und der Sound! Der Christian war schon mal da und hat soo von dem Sound geschwärmt. Es ist aber nicht so krass laut, dass es einem die Ohren wegpustet)“
- „Wir könnten nach der Arbeit direkt los-chillen, denn man kann vor Ort noch ein Häppchen essen, weil es dort einen leckeren Chinesen gibt, richtig gutes Essen gaanz günstig“
- „Und wenn du Lust hast, hängen wir hinterher noch in der Bar ab. Die spielen immer coole Jazz-Musik“ (Man sollte wissen: Peter liebt Jazz)
Und pfiffig wie Sabine ist, hat sie auch schon Antworten für seine Fragen und Bedenken parat, z. B.:
- „Iwo! Wir sind ganz schnell da, denn es liegt an der Ausfahrt“
- „Immer freie Parkplätze, nicht weit vom Eingang, kost nix!“
- „Viel besser als das Kino um die Ecke, denn die haben diese superbequemen Sitze, da spürst du deinen Rücken überhaupt nicht“
Und zum Schluss, als Peter schon schwer am Überlegen ist, fährt sie ihr stärkstes Geschütz auf: Sie blickt ihm tief in die Augen und gibt ihm einen langen Kuss!
Wer kann da noch Nein sagen?
Die Parallelen zum Werbetext liegen auf der Hand:
Es braucht ZEIT, um etwas so subtil auszumalen, dass sich unmerklich, aber unvermeidlich ein Gefühl des Haben-Wollens einstellt. Das geht übrigens nur dann, wenn der Kunde die Grundvoraussetzungen dafür mitbringt, sprich, wenn er Bedürfnisse hat, an die der Texter appellieren kann.
(Und darum, liebe clevere Auftraggeber, brauchen Texter viel ZEIT für eine gründliche Recherche zur Zielgruppe!)
Es braucht ZEIT, um das Alleinstellungsmerkmal (die USP, Unique Selling Proposition) herauszuarbeiten,
(„Warum soll ich hier kaufen und nicht woanders?“)
Es braucht ZEIT, um alle möglichen Einwände zu entkräften
(„Aber was ist wenn…? Und überhaupt, ist nicht…?“)
Es braucht ZEIT, um das eigentliche Angebot gründlich zu formulieren
(„Was genau kriege ich jetzt für mein Geld?“)
Es braucht ZEIT, um eine ganze Batterie von rationalen Zusatznutzen aufzufahren, mit denen der Kunde seinen Kauf, den er im Grunde seines Herzens tätigen will, rechtfertigen kann: Vor sich selbst, evt. vor einem Partner…
Es braucht ZEIT, um Beweise in Form von überzeugenden Testimonials (Aussagen zufriedener anderer Kunden) einzubauen oder Autoritäten ins Feld zu führen (je nach Zielgruppe Professoren oder Prominente…)
Last but not least, es braucht ZEIT, um ein gutes PS: zu kreieren: Ein ganz besonderes Sahnehäubchen, dem niemand widerstehen kann (vielleicht eine besondere Prämie?)
Aber – gilt das wirklich immer?
Tatsächlich gibt es Fälle, in denen ein kürzerer Text wirkt. Dann nämlich, wenn der Kunde schon vorqualifiziert ist. Um in unserem Beispiel zu bleiben: Hätte Peter schon eine ausführliche Schilderung des neuen Kinopalasts von Christian gehört, könnte Sabine ihn vielleicht wirklich in einer Minute rumkriegen.
Ein Beispiel für kürzere Verkaufstexte ist Ebay. Denn Ebay-Kunden brauchen nicht mehr überzeugt zu werden, DASS sie ein bestimmtes Produkt kaufen möchten. Sie haben bereits die feste Absicht zu kaufen, fragt sich nur noch, bei wem. Testimonials? Überflüssig. Denn dafür gibt’s ja eine extra Rubrik, die Bewertung.
Was also tun im Zweifelsfall? Langer oder kurzer Text?
Ich als Kunde habe nichts gegen lange Landing Pages – WENN sie gut strukturiert sind. Wenn ich wirklich keine Zeit zum Lesen habe, dann turbo-scrolle ich runter, such mir den Bestell-Button (der darum gut hervorgehoben sein sollte) und schau mir das konkrete Angebot (mitsamt Preis) an.
Das gleiche gilt, wenn ich bereits zum Kauf entschlossen bin, weil ich über einen Affiliate-Link (ein Vertriebspartner-Programm) auf die Landeseite komme. Dann hat ja der Affiliate bereits dafür gesorgt, dass ich – zumindest prinzipiell – kaufbereit bin. Auch dann spar ich mir den ganzen Text (sorry Kollege!) und sause die Scroll-Leiste runter. Denn ich verlasse mich drauf, dass ich ganz unten einen Bestell-Button vorfinde – und vielleicht auch noch ein PS mit einem Hinweis auf einen schönen Bonus?
Keine Frage: Länger ist sicherer!
Der Bericht war spitze-nur die Idee zum Chinesen Essen zu gehen? Ein Freund verkaufte Dampsauger, die in Gastronomie
küchen Verwendung finden. Er hat kein einziges sauberes chinesisches Lokoal gefunden.
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