Von Edwin E. Braatz, Copywriter
Geschichten sind die Seele und die Eckpfeiler der menschlichen Kultur und Kommunikation. Sie reichen weit in die Vergangenheit zurück, bevor die Menschen überhaupt Schreiben und Lesen konnten! Deshalb lohnt es sich, auch heute noch, gute Geschichten zu erzählen.
Aristoteles
Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) war es, der die verborgene Struktur für das Erzählen guter Geschichten identifizierte. Seit er sie zum ersten Mal in seinem altgriechischen Bestseller „Poetik“ dargelegt hat, ist sie bis heute geblieben.
Geschichten, so Aristoteles, brauchen einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. An sich klar. Aber das ist nicht nur eine chronologische Straßenkarte.
Auf dem Weg dorthin, so der Philosoph, muss der Leser emotionale Phasen durchlaufen. Und diese Phasen lassen sich seiner Meinung nach am besten mit Mitleid, Angst und der Katharsis beschreiben, Katharsis als Wirkung der Tragödie auf die Empfindungen des Zuschauers bzw. Zuhörers.
Die drei Schritte zu einer guten Geschichte
- Als Erzähler (Texter) beginnen Sie Ihre Geschichte mit einer Figur (Held), für die wir uns interessieren können. Anstelle von Mitleid könnten wir auch „Empathie“ sagen.
- Als Nächstes stellen Sie diese Figur vor eine Herausforderung. Einen Konflikt. Etwas oder ein Ereignis, das ihr Schicksal verändern könnte. Das ist der „deftige“ Mittelteil Ihrer Geschichte.
- Schließlich bringen Sie die Dinge zum Abschluss. Entweder werden die Dinge besser und es gibt Erleichterung. Oder es kommt zu einem tragischen Ende, und wir kennen zumindest den Ausgang. So oder so, das ist die Katharsis. Als Ergebnis endet Ihre Geschichte mit dem Gefühl, dass etwas Großes passiert ist.
Dieses Gefühl des Aufbaus von Spannung und Entspannung funktioniert nicht nur, weil wir Geschichten schon immer so erzählt haben, sondern weil wir tatsächlich so konzipiert sind, dass wir auf sie nach diesem Muster reagieren.
Das „katharische Gefühl“, das man am Ende einer gut erzählten Geschichte hat, setzt im Gehirn chemische Stoffe frei. Dieselben Chemikalien werden nicht zufällig auch durch bestimmte Glücksdrogen, Sex oder den Verzehr von Schokolade freigesetzt. Kein Wunder also, dass das Geschichtenerzählen so populär geblieben ist.
Der Charakterbogen
Eine andere Möglichkeit, sich diese klassische Art der Entfaltung der Geschichtenformel vorzustellen, ist die Zeichnung eines „Charakterbogens“.
- Er beginnt unten links mit der Hauptfigur, die wir kennen lernen und mit der wir uns identifizieren können.
- Dann geht es aufwärts mit der Handlung, die in der Regel ein paar Herausforderungen und Rückschläge für unseren Helden beinhaltet.
- Schließlich neigt sich der Handlungsbogen einem Ende zu. Der Held ist in Sicherheit. Der Held ist tot. Wie auch immer, es gibt mehr Sicherheit.
Es ist kein Zufall, dass diese Formel funktioniert. Tatsächlich ist es das Muster unseres Lebens, der Spiegel unserer menschlichen Erfahrung. Wir werden geboren, um zu entdecken, wer wir sind, wir treten in die Welt hinaus und stellen uns Herausforderungen, und dann müssen wir die Welt wieder verlassen. So schließt sich der „Bogen des Lebens“.
Die oft nicht gestellte Frage
Geschichten können nicht nur ausgefallene Beschreibungen oder eine Abfolge von Ereignissen darstellen. Geschichten erzählt man, weil sie Konsequenzen aufzeigen; vorzugsweise relevante Konsequenzen.
Zu viele Geschichtenerzähler stellen sich die Frage „Sollte ich diese Geschichte überhaupt erzählen?“ nicht. Das heißt, dient sie einem Zweck oder verlangsamt sie nur meine Botschaft? Die Antwort ergibt sich aus einem einfachen Test:
Zuerst schauen Sie sich den Anfang Ihrer Geschichte an. Finden Sie einen Schlüsselwert, der Ihrer Hauptfigur zugeordnet ist. Ist er oder sie zum Beispiel arm, krank oder allein? Wenn ja, bezeichnen Sie diese Werte als negativ. Springen Sie nun zum Ende der Geschichte und sehen Sie nach, ob sich dieser Wert verändert hat. Ist Ihre Figur jetzt reich, gesund oder mit der Liebe ihres Lebens zusammen? Das sind positive Werte.
Um eine gute Geschichte zu erzählen, müssen Sie sich nicht in diese Richtung bewegen. Sie können auch positiv beginnen und negativ enden. Was Sie jedoch nicht tun können, ist, flach zu bleiben. Wenn sich der Wertestatus der Hauptfigur nicht ändert, wenn es keine Veränderung oder Reise gibt, hat die Geschichte keinen Sinn!
Das wichtigste Erzähl-Element
Erfolgreichen Autoren sagen, dass ein bestimmtes Erzählelement alle anderen übertrumpft. Es ist wichtiger als Charaktere oder Handlung, wichtiger als brillante Beschreibungen oder eine aktionsreiche Geschichte. Dieses wichtigstes Schlüsselelement ist für alle Geschichten das Publikum.
Das gilt, wenn Sie Geschichten in Ihrem Verkaufsgespräch verwenden. Es gilt auch, wenn Sie damit einen Beitrag in Ihrem Blog beginnen, eine Fallstudie schreiben, einen Roman oder was auch immer. Denn Geschichten, die in einem leeren Wald erzählt werden, regen nur die Eichhörnchen auf! Das heißt, wenn Sie Menschen gewinnen und halten wollen, müssen Sie vor allem deren Bedürfnisse und Interessen berücksichtigen! Und dann sollten Sie nur die Teile der Geschichte erzählen, für die sich Ihre Zielgruppe am meisten interessiert.
Das ist das wahre Geheimnis, um viel… viel… bessere Geschichten zu erzählen!
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