Haben Sie Fragen? Schreiben Sie uns!

postmaster@profitexter.net

Martina Roters: Ich bin ein dummer Kunde! (Und was man fürs Response-Formular draus lernt)

13 April 2008

Kommentare

4
 April 13, 2008
 4
Kategorie Werbetexter

Gestern Abend stand ich mit dem harten Kern der Kollegen nach der Jahrestagung des Profitexter.net in Würzburg vor dem Fahrkartenautomat der Straßenbahn und hatte erst ein Déjà-Vu- und dann ein Aha-Erlebnis:

Der Kollege vor mir hatte gerade sein Ticket aus dem Schacht genommen und ich wollte mein Geld einwerfen, da war der Geldeinwurf blockiert! Instinktiv suchte ich das Bedienfeld nach weiteren Schlitzen ab, denn es war mir schon mal vorgekommen, dass ich bei diversen Automaten versucht hatte, mein Geld an anderen nicht geeigneten Stellen zu platzieren (Rückgabeschacht, intelligent geformter Kronkorkenöffner, Sie wissen schon…), bis ein Kollege mich darauf hinwies, dass die Metallplatte den Schacht blockiert, solange ich nicht VORHER die Ticket-Auswahltaste gedrückt hatte!
Ich sag dazu nur: Andere Automaten können auch nachher noch berechnen, ob der eingeworfene Betrag zuviel, zuwenig, oder genau richtig ist.
Und jetzt das Déjà-Vu:

Vor ein paar Tagen hatte ich abends Lust auf was Süßes und da stand doch noch diese imitierte Sektflasche mit Süßigkeiten drin („Celebrations Sparkling Mix“). Fein dachte ich, die wird jetzt „geköpft“.

Ich fasste beherzt zu, um das vom Goldpapier verdeckte Korkenimitat abzuschrauben. Doch da bewegte sich nichts! Na gut, dachte ich, das wirkt wirklich echt. Also mal das das Goldpapier abmachen, damit ich vielleicht irgendwelche Drähte lösen und auch besser zupacken kann. Gleichzeitig warf ich einen hilfeheischenden Blick auf das große Etikett auf der Rückseite:

Weinrot mit schwarzer Schrift, selbst mit Brille kaum erkennbar. Offenbar keine deutsche Beschriftung. Okay, dachte ich, nichts zu erkennen, dann mal eben feste gedreht. Der Flaschenkopf sprang dann auch glatt ab, aber es war ziemlich schwierig,  so dass ich mich gefragt habe, was wohl meine alte Oma gemacht hätte, wenn man IHR die Flasche geschenkt hätte. Jetzt wollte ich sehen, welches kleine Schokoriegel-Bonbönchen mir das Schicksal durch den Flaschenhals schicken würde…

Pustekuchen! Nichts da, da gab es noch so ein paar weitere Querzacken im Flaschenhals, die mich von meinem leckeren Naschwerk trennten. Nachdem ich mit Hilfe eines Küchenmessers so ein, zwei von den Zacken herausgesprengt hatte, und sich diese mit Überschallgeschwindigkeit Hastenichtgesehen! irgendwo in der Küche auf Nimmerwiedersehen dematerialisiert hatten, war ich heilfroh, dass a) nichts ins Auge gegangen war und b) ich keine offenen Pfannen oder Töpfe mit brutzelnden Soßen nach den Plastiksplittern absuchen musste.

Jetzt setzte ich doch die Brille wieder auf, um das Riesenetikett nochmals genauer zu studieren. Mehrsprachig, ja, aber außer Zutaten, E-Nummern, Kilokalorien, Grammzahl, Entsorgungssymbolenund riesigem Strichkode fand ich keinen „Öffnungshinweis“ der Firma Masterfood.  Ich überlegte, ob ich in den Keller gehen und mir die Schutzbrille holen sollte, die  ich sonst aufziehe, wenn ich Fliesen oder Dachziegel mit dem Winkelschleifer bearbeite, aber das war mir dann doch zu blöd. Mittlerweile hatte sich bei mir eine Schmalspur-Geisteshaltung eingestellt, mit der ich trotz dieses widerspenstigen Flaschenhalses an meine Leckerlis kommen wollte.

Koste, was wolle!

Ich brach also mit der Küchenzange den Rand weiter aus, was bewirkte, dass ich hinterher einen oberen Flaschenhalsrand hatte, der keinem Sicherheitsbeauftragten unter die Augen kommen durfte. So könnte sich ja mein Mann, der auch ein „Süßer“ ist, die Finger aufschneiden.  Also hab ich den Flaschenhals fürsorglich mit zwei breiten, passenden Gummibändern abgedeckt, die verbleibende Goldfolie obendrüber gestülpt und mit einem Sektkorken aus meinem Küchenfundus lose verschlossen:

 

AnubisNun war ich‘ s zufrieden und genoss stolz meinen süßen Lohn: Es war übrigens ein Mars und es gab mir die verbrauchte Energie auch prompt zurück.

– Und dann ging mein Sohn hin und hin und „öffnete“ die Flasche bei nächster Gelegenheit auf der UNTERSEITE, pfeift auf die Schicksalsgöttin Flaschenhals und pickt sich raus, worauf er grad Lust hat…

Klar hab‘ ich nach neuerlichem Suchen endlich auch ich einen winzigen Streifen auf der ANDEREN Seite entdeckt, wo steht : „Entlang der Perforation aufreißen Boden aufdrehen“.

Liebe Vermarkter: So kann’s  einem dummen Kunden gehen…

 

„Das war das Déjà-Vu – und wo ist das Aha?“ 

Hier die Lektion fürs Direktmarketing:

Beim Call to Action und vor allem auf dem Responseformular tut man gut daran, dem Kunden HAARKLEIN zu erklären, was er denn jetzt tun soll. Denn wenn er nicht schon mal bestellt hat, dann ist dieser Vorgang für ihn „sein erstes Mal“. Und wer weiß, ob er oder sie sich nicht auch „dumm dranstellt“. Und Geld des „dummen Kunden“ sollte wohl genauso willkommen sein wie das der anderen Kunden.

Wenn ich also an anderer Stelle geschrieben habe: Machen Sie den Probedurchlauf durch den Bestellvorgang mit Ihrem 11jährigen Nachbarskind, dann sage ich jetzt: Machen Sie diese Probe am besten mit einem „dummen Kunden“ (Kontaktieren Sie mich, ich bin offenbar als Versuchsperson geeignet!)

Wenn Ihre Webstatistik anzeigt, dass Besucher Ihre Webseite von der  Bestellseite aus verlassen, ohne zu kaufen, dann gibt es auch noch andere Möglichkeiten, als die, dass Sie sich’s in letzter Sekunde anders überlegt haben.

Hier ein paar Möglichkeiten, die mich „dummen Käufer“ schon mal abgehalten haben:

  • Der Tonfall des Bestellformulars ist einfach furchtbar und passt so gar nicht zum übrigen Text. Wenn ich schon höre, dass ich irgendwelche „Pflichtfelder“ ausfüllen „muss“, da sinkt meine Kauflust.
  • Es werden zu viele unnötige persönliche Daten abgefragt (Warum muss ich mein Alter angeben, wenn ich eine Pyramidenlaterne kaufen möchte?) Zur Not tät‘ s ein Feld „über 18“ zum Ankreuzen, wobei ich mich dennoch frage, ob das Sinn macht.
  • Ich bin nur zur Bestellseite gegangen, um mich über die Konditionen zu vergewissern, weil der Text auf der Werbeseite zu schwammig war (oder ich dort z. B. keinen Preis gefunden habe).
  • Technische Probleme. Wenn der Browser die Seite „abräumt“, ohne dass eine Bestellbestätigung erscheint, ist man als Kunde dermaßen verunsichert, dass man erst mal gar nichts mehr macht. Bis man dann merkt, dass die Bestellung tatsächlich gescheitert ist, hat sich der Kaufimpuls schon wieder verflüchtigt.
  • Die Kardinalsünde: Ich habe fast alles ausgefüllt und will nur noch mal schnell auf der Seite vorher nachgucken, was genau mir versprochen wurde, und stelle nach dem Drücken des „Zurück-„ und „Vor“-Buttons fest, dass ich alle Daten noch mal von vorn eingeben müsste! Wenn es dann an oder Lust mangelt, ist der Kauf gestorben.

PS: Da Ted Nicholas in seinem Audio-Kurs Magic Words, den ich mir während der Hin- und Rückfahrt zum Profitextertreffen angehört habe, nochmals die Bedeutung des PS betont und seine Adepten auffordert, fleißig PS-Schreiben zu üben, hier noch ein PPS zum Schmunzeln:

PPS: Am nächsten Morgen im Post Hotel habe ich dann auch herausgefunden, dass ich zum Händewaschen doch nicht die Dusche benutzen muss, weil der vermeintliche Bewegungssensor an der Handwascharmatur defekt ist (ich hatte mich nicht an der Rezeption gemeldet, weil ich – migränegeplagt – einfach nur noch meine Ruhe wollte), sondern dass man diesen Armaturkopf mit dem kleinen Zeichen nicht von oben drücken, nicht nach unten schieben, nicht drehen sondern, o Wunderwerk der Ingenieurs- und Designkunst KIPPEN kann, und dann kommt auch glatt Wasser raus…

Martina Roters

Beitrag teilen
5 1 vote
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
4 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments
Uwe Hiltmann
15. April 2008 00:25

Liebe Martina,

vielen Dank für dieses Bonmot der Schreiberkunst. Ich habe mich unter den Schreibtisch geworfen vor Lachen (und durch das Trommeln meiner Füße auf dem Boden sicherlich meine Nachbarn aus dem nachmitternächtlichen Tiefschlaf gerissen – sei's drum, das ist es wert 😉

Liebe Grüße
UHI

P.S.: für das nächste Mal. Immer erst die GESAMTE Verpackung inspizieren und NIEMALS vom Offensichtlichen ausgehen. Der (vermeintlich) schnellere, aus der Erfahrung mit ähnlichen Dingen geborene Weg ist nicht immer der Richtige …     

Stefanie Ulrich
14. April 2008 21:03

Hallo Martina,

habe mich köstlich amüsiert über deinen frisch-fröhlichen und wundervoll ironischen Beitrag. Ja, man hats nicht leicht als Kunde. Aber woran man als Texter oder Marketingmensch auch alles denken muss, da vergeht einem manchmal schon das Lachen. Umso mehr freut es mich, mal wieder herzhaft über die möglichen Fehlerquellen in Bestellformularen zu lachen.

Liebe Grüße
Stefanie

Bernfried Opala
14. April 2008 12:48

Hallo Martina,

ein herrlicher Beitrag und mit so viel Humor gewürzt.

Mir geht es oft ähnlich mit Käseverpackungen, an denen ich den Zipfel zum Aufreißen des Kunststoffdeckels nicht finde. Oder die Deckel von diversen Brotaufstrichen, für die man ein Brecheisen braucht, um an den Inhalt zu kommen.

Und da ja mittlerweile die Gebrauchsanweisungen in x Sprachen auf kleinstem Raum  vertreten sind,  tut man gut daran,  immer eine Lupe mit mindestens 3 bis 5 facher Vergrößerung in greifbarer Nähe zu platzieren. 

So schafft man dann seine eigene Barrierefreiheit.

Gruß

Bernfried

4
0
Would love your thoughts, please comment.x