Kundenansprache ist nicht immer einfach. Und ja, ich habe bewusst den alten Spruch:
“1 Bild sagt mehr als 1000 Worte.”
ins Gegenteil verkehrt. Ich zeige Ihnen gleich, dass das Sinn ergibt.
Warum sonst hätte eine erfolgreiche Verkaufsseite Ende 2021 für ein 6000 $ Produkt im Kern auf Bilder verzichtet?
Es gab nur 1 Bild im Header, kleine Porträt-Fotos am Ende bei den Testimonials und ein Symbol-Bild beim Verkaufslink.
Dazwischen gab es nur eins:
Seitenweise purer Text
Geschätzt so etwa 20 A-4-Seiten, rein schwarz-weiß.
Die einzige Abwechslung in dieser “Textwüste”:
- Textgröße (Headlines)
- Großschreibung (Ja, genau das, was bei vielen als „Schreien“ verpönt ist)
- Fettdruck, auch in Kombination mit den beiden oberen Akzentuierungen
- Kursivdruck (sehr sparsam eingesetzt)
Warum?
Hatten die Macher der Verkaufsseite kein Interesse an gezielter Kundenansprache oder kein Geld, diese „Textwände“ durch Bilder aufzulockern?
Ich denke, es steckt etwas anderes dahinter. Machen wir einen kleinen
Selbst-Versuch:
Bitte stellen Sie sich den Blick aus dem Fenster Ihres Lieblings-Urlaubsdomizils vor!
Fertig?
Was haben Sie gesehen?
Schauten Sie aus einem Fenster im Parterre oder aus einem höheren Stockwerk?
Bot sich Ihnen ein urbanes Bild oder schauten Sie auf Natur? Falls Letzteres, war es
Meeresstrand oder Hafen? Oder doch Wald oder saftige grüne Wiesen?
Oder ganz etwas anderes? (Schreiben Sie es doch mal in den Kommentar; es wäre doch interessant, die Vielfalt zu sehen.)
Sie können noch so viel Zielgruppenstudium betreiben, sie werden so gut wie nie den Lieblingsort Ihres einzelnen Kunden oder Ihrer einzelnen Kundin treffen.
Unsere Welt ist „individueller“ geworden.
Kundenansprache wird dadurch schwieriger, denn es gibt diese selbstverständliche Logik: “Mein Auto – mein Haus – mein Boot” nicht länger. Und das ist natürlich gut so.
Big Data
Andererseits verwundert dann die Datensammelwut der Riesenkonzerne GAFAM (Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft) nicht mehr.
Wenn die wissen, was Kunde Nr. 100.658.196 für Vorlieben hat, können sie ihm gezieltere Werbung anbieten, oder – wie es so gern heißt: “eine Verbesserung und Personalisierung Ihrer Erfahrungen“ (Microsoft).
Sogar die harmlos erscheinenden Sperrbildschirm-Hintergrundbilder an meinem Windows-Rechner mit der Frage „Gefällt Ihnen, was Sie sehen?“ sind mir suspekt, seit mein Klick auf „Gefällt mir“ keinen Unterschied mehr macht und auch dieses Bild nicht mehr länger stehen bleibt, sondern ebenfalls nach kurzer Zeit abgeräumt wird, damit irgendein gefräßiger Algorithmus neues Futter von mir und über mich bekommt.
Was also können Sie tun?
Wenn Sie das Dilemma lösen und Ihren Kunden individuell ansprechen wollen, können Sie auf die Fantasie der Menschen zurückgreifen, indem Sie z. B. schreiben:
„Machen Sie es sich mit Ihrem Lieblingsgetränk gemütlich.“
Ihre Leserin holt sich dann schon, was ihr schmeckt: ob es nun Espresso, Earl Grey oder Kombucha ist.
Oder Sie beschreiben – z. B. in einer E-Mail Ihre eigenen Emotionen aus bestimmten Lebenssituationen.
Ihr Kunde hatte entweder sehr ähnlichen Situationen oder durchlebt eine Emotion erneut, auch wenn er selbst in ganz anderen Verhältnissen aufgewachsen ist.
Probieren Sie es aus!
PS: Ich sage ja nicht, dass Sie jetzt immer und überall auf Bilder verzichten sollen. Z. B. werden Sie auf Social Media ohne Bilder in den Bildmassen anderer untergehen. Und auch dieser Blogbeitrag hat ein Beitragsbild, damit er nicht “kaputt” aussieht.
PPS: Bevor ich jetzt die Windows-Blickpunkt-Funktion für den Sperrbildschirm abschalte, werde ich erst mal den Algorithmus eine Zeitlang mit bewussten Falschaussagen füttern. Schließlich will ich kein Futter für eine subtilere Variante des Orwellschen Zimmer 101 liefern…
Ebenfalls lesenswert: Dagmar Herings Beitrag zum Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom: https://profitexter.net/marketing-allgemein/2014/11/dagmar-hering-das-wahrnehmungs-defizit-syndrom-und-wie-sie-es-fuer-ihre-werbebotschaften-ueberlisten/
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