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Dagmar Hering: Das Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom und wie Sie es für Ihre Werbebotschaften überlisten

15 November 2014

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 November 15, 2014
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Gleich vorweg: Jeder von uns leidet am Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom. Mal mehr, mal weniger. Es kommt auf unsere seelische Verfassung und die Situation an, in der wir uns gerade befinden.

Ursache für das Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom ist ein Selbstschutz unseres Gehirns. Um nicht in der Flut der ankommenden Sinneseindrücke zu versinken, filtert es alle unwichtigen Botschaften heraus. Es sorgt dafür, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren.

Wie wichtig diese Filterung für unser seelisches und körperliches Wohl ist, wird bei Autisten sichtbar. Ihr Gehirn besitzt nicht die Fähigkeit, die Signale aus der Umwelt zu filtern. Jede Kleinigkeit, ob wichtig oder unwichtig, landet bewusst im Hirn und führt zu einer seelischen Überforderung.

Mangelnde Wahrnehmung unbedeutender Signale ist deshalb ein völlig normales – und lebensnotwendiges Phänomen.

 

Das Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom in höchster Vollendung

Manchmal nimmt unser Gehirn sogar Abkürzungen, um unser bewusstes Denken zu entlasten. Immer gleich ablaufende Handlungen werden einfach automatisiert. Durch einen bestimmten Reiz kann dann eine ganze Handlungskette ausgelöst werden – ohne dass uns dies bewusst ist. Im Alltag gibt es dafür etliche Beispiele:

Fragen Sie einmal einen Autofahrer nach der Fahrt über eine Kreuzung, ob die Ampel Rot oder Grün war. Viele Fahrer können Ihnen darauf keine Antwort geben und geraten in echte Erklärungsnot. Natürlich war die Ampel Grün. Aber die Fahrer erinnern sich nicht daran. Bei Ihnen hat sich eine Art Pawlowscher Reflex ausgebildet, der sie im Straßenverkehr automatisch handeln lässt. Ist die Ampel Rot, bleiben sie stehen. Ist sie Grün, fahren Sie los.

Auch das gehört zum Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom.

 

Leistungsfähigkeit des Wahrnehmungs-Defizit-Syndroms

Zu welchen Auswüchsen das Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom führen kann, erlebe ich jeden Morgen.

Ich lese gerne zum Frühstück die hiesige Tageszeitung. Blättere ich sie später noch einmal durch, fallen mit auf einmal die Anzeigen auf. Keine einzige davon habe ich vorher bewusst wahrgenommen.

Sicher, ich konzentriere mich auf die Artikel. Aber dass selbst ganzseitige Anzeigen eines bekannten Elektronik-Konzerns mit der Signalfarbe Rot völlig an mir vorbeigehen – das hat mich sehr überrascht. Offensichtlich schaltet mein Hirn bei Werbung komplett auf Durchzug, denn meine Augen MÜSSEN die Anzeigen gesehen haben.

 

So überlisten wir das Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom in unserem Alltag

Mangelnde Wahrnehmung beeinflusst auch erheblich unsere mündliche und schriftliche Kommunikation. Wir hören nur mit einem halben Ohr hin oder nehmen gar nicht bewusst wahr, was wir lesen (siehe oben).

Um sicher zu sein, dass unsere Botschaft beim Empfänger ankommt, bedienen wir uns eines Tricks. Wir geben unserer Aussage durch Verstärkungen und Wiederholungen mehr Gewicht.

Eine Mahlzeit ist dann nicht mehr “lecker”, sondern “super lecker”. Der Urlaub war nicht einfach “schön”, sondern “traumhaft schön”

Viele Menschen verwenden in ihrer Alltagssprache sogar falsche Zeitbildungen, um dem Wahrnehmungs-Defizit ihrer Mitmenschen zu begegnen. Bastian Sick, Autor der Zwiebelfisch-Kolumne auf Spiegel-Online, bezeichnete sie einst als Super-Perfekt bzw. Super-Plusquamperfekt.

Beispiele: “Ich habe das Auto gewaschen gehabt.”, “Sie haben verkauft gehabt.” oder (irgendwie noch schräger) “Wir sind ins Kino gegangen gewesen.”

Dieses doppelte Perfekt soll sicherstellen, dass beim Gesprächspartner die Botschaft “Hallo, das war in der Vergangenheit!” ankommt

 

Wie wird das Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom in der Werbung überlistet?

Was für die allgemeine Kommunikation gilt, gilt für die Werbung erst recht. Wir Profitexter nutzen ebenfalls Verstärkungen und Wiederholungen, damit unsere Werbebotschaft dort ankommt, wo sie hingehört: In das Bewusstsein unserer Leser.

Ich zeige Ihnen das mal an einem einfachen Beispiel:

Um die Kauflaune zu steigern und die Kunden zum Handeln zu veranlassen, werden oft kleine oder große Geschenke als Bonus angeboten. Ich muss als Werbetexterin dafür sorgen, dass diese Information nicht überlesen wird. Also schreibe ich zuerst das Wort

 

Kostenlos!

 

Das reicht natürlich nicht aus, um das Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom zu überwinden. Ich muss die Kernaussage der Botschaft unbedingt wiederholen. Ich packe deshalb noch etwas drauf:

 

Kostenloses Geschenk!

 

Schon besser. Ein Geschenk ist zwar immer kostenlos, aber was soll’s. Doppelt genäht hält besser. Den meisten Lesern wird dieser Widerspruch gar nicht auffallen. Aber ob das bereits reicht? Wie wäre es mit einer Verdreifachung?

 

Kostenloses Gratis-Geschenk!

 

Das ist es. Ja, so kommt die Info bestimmt an…

 

Wahrscheinlich denken Sie jetzt, das sei maßlos übertrieben und völlig absurd. Aber ich wette, dass die Leser selbst die Verdreifachung der Werbebotschaft nicht bemerken. Achten Sie doch in Zukunft mal auf die Werbung, die Ihnen täglich ins Haus flattert. Es wird nicht lange dauern, bis Sie auf solche Formulierungen stoßen. Oder Sie schalten einfach Ihren Fernseher ein …

 

Nirgendwo wird das Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom so gut ausgehebelt …

In den Verkaufskanälen wird das Prinzip der doppelten bzw. dreifachen Werbebotschaft treu beherzigt. Wer in die Lehre gehen möchte, wird hier bestens bedient. Die Unterrichts-Lektionen laufen jeden Tag und sind garantiert kostenlos (es sei denn die Verkaufsprofis erwischen Sie an einem wunden Punkt und Sie bestellen die beworbenen Produkte).

“Einen hab’ ich noch! Einen hab’ ich noch!”, rufen die Verkäufer dem Publikum zu. “Sie bekommen nicht nur dieses einzigartige 20-teilige Messer-Set, sieben Kochtöpfe und drei Kerzenhalter. NEIN! Wir schenken Ihnen zusätzlich diese exklusive Käsereibe. Bei jeder Bestellung erhalten Sie das 20-teilige Messer-Set, sieben Kochtöpfe, drei Kerzenhalter UND die Käsereibe als Geschenk für Ihr Vertrauen. Also bestellen Sie jetzt gleich, meine Damen und Herren, und Sie erhalten Ihr Geschenk, die exklusive Käsereibe, gratis dazu.”

Und auch ich rufe Ihnen zum Schluss zu: “Einen hab’ ich noch! Einen hab’ ich noch!”

 

Umsonst! Kostenloses Gratis-Geschenk!

 

So. Das soll mal einer toppen …

 

Ich hoffe, ich konnte Ihre Aufmerksamkeit bis zum Ende dieser Zeilen aufrecht erhalten.

Sollten bestimmte Passagen Ihrer Wahrnehmung entgangen sein, lesen Sie diesen Blog-Artikel einfach noch mal.

Sie wissen doch: Mit Wiederholungen können Sie das Wahrnehmungs-Defizit-Syndrom überlisten!

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Reimund
15. November 2014 18:16

»Für lau, nothing, njet, für null Euro, null Dollar und nur 519 Ösi-Schilling! Umsonst! Kostenloses Gratis-Geschenk!«

So, getoppt! 😉

Im Ernst: Guter Artikel. Wiederholung ist wichtig. Allerdings braucht man ein Gespür dafür, wann es gut ist mit dem wiederholen.

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